Fahrbericht nach 6700 km durch 6 Länder

  • #1

    Hallo allen,


    wir sind heil und begeistert wieder Zuhause angekommen - und hatten viele Erlebnisse, die aaaaaaatemberaubend waren.
    Gerne möchte ich meine Erfahrungen auch mit Euch teilen ... vielleicht interessiert's den ein oder die andere. ;)


    Das Mopped selbst:
    Bequem (ok, ich habe die Sitzbank angepasst), gut ausgewogene Distanzen im Dreieck zwischen Händen und Nacken - und den Bedienteilen, je nach Beinlänge ein Tick zu hoch (da haben Stiefel und Sattelanpassung bei mir dann geholfen). Optisch für mich immer wieder ein echter Hingucker - und wie schön sie in schwarz ist! (Bin ich froh, dass sie in grau nicht zu haben war! ,-)) Fetter Tank (mit gutem Volumen - 340km Reichweite auf Landstrassen, 290km auf Autobahn), gutes Layout in den Abmessungen zwischen Höhe, Abstand Lenker und Sattelende, Radstand und Breite (durch Koffer natürlich etwas mehr). Die Leistung ist in meinen Augen mit 129 Pferdchen gut ausgewogen - aber weniger sollten es bei dem Gewicht auch wieder nicht sein.


    Das Fahrverhalten:
    Hach, was eine Fahrfreude! Selbst für mich als Kurvenschisser ist die XT einfach nur ein Vergnügen. Die Maschine legt sich selbst in die Kurve, reagiert gut auf kleine Zurechtweisungen ohne zu Zappeln. Auch bei kurzem freihändigen Rollen - nach einigen Stunden Fahren muss man das Kreuz mal dehnen - ein absoluter Geradeauslauf, ruhig und ohne jede Vibration. Schnelles Ausweichen wegen eines Lochs in der Strasse ist kein Problem, die XT reagiert zuverlässig und gelassen.
    Die XT hat auf unserer Tour so ziemlich alles erlebt, was ich mir unter den Rädern meines Moppeds vorstellen kann - hervorragender glatter Aspahlt, Hubbelpisten ohne Löcher, "Strassen" mit Löchern so gross und tief wie LKW-Reifen, kilometerlange Schotterpisten, kilometerlange Waldwege (wo uns kleine KTMs entgegen gekommen sind und nicht schlecht gestaunt haben), Bachdurchfahrten, Regenfahrten auf Asphalt und Schotter, Wiese und wahrscheinlich habe ich auch noch was vergessen. Es gab keinen Moment, in dem ich mich nicht auf der Maschine wohlgefühlt habe. Ok, ich habe ein bisschen offroad-Training gemacht - aber schon damit war das Händling der XT machbar. Sie läuft sicher und ruhig über Schotter, und schwimmt nicht auf im Bach. ;)
    Auf zwei Tour-Abschnitten hatten wir sehr sehr heftigen Seitenwind - sehr anstrengend zu fahren. Aber fairerweise war ich es, die sich dem Wind unterlegen fühlte - sobald ich den Lenker wieder locker liess, hatte ich ein ruhig laufendes Mopped unter mir. Es ist erstaunlich, wie wenig sie sich vom Seitenwind hat treiben lassen.


    Das DCT:
    Ich liebe es! Irgendwer hat gesagt "während die anderen ihre Gänge sortieren, zieht die XT vondannen" - kann ich nur bestätigen. Der Anzug ist genial, sowohl an der Ampel - drehen und wech - wie auch beim Überholen. Das ist schon ein echter Kick, wenn man den Hahn aufmacht, die XT in den 5. runter schaltet - ziiiieht und dann in den 4. runter geht und man eine kleine Rakete unter'm Hintern hat. Einfach *seufz*.
    Der D-Modus eignet sich zum Cruisen und gemühtlichen Alltagsfahren - wird aber bei Berganfahren wirklich gefordert. Aber zugegebenermassen - die XT ist gutmütiger Ackergaul und kühler Araber in einem! Es hat mich immer wieder erstaunt, welche Leistung der Motor selbst im unteren Drehzahlbereich noch bringt. Akustisch konkuriert sie dann zwar mit einem alten 200er Diesel, aber sie tuckert sich den Hang rauf ohne einen Muks.
    Der S-Modus ist dagegen der echter Transalpina-Killer! Es geht bergauf? Dann mach mich zum Rennpferd, bitte! - Gern! S rein und das Mopped zieht selbst bei knapp 20% Steigung als hinge es an einer Kette. Wird es dann wieder flacher, aber das Getriebe bleibt im tiefen Gang - einfach manuell nachjustieren. Das Getriebe ist eine "32-Bit-Architektur" - bei 32 h/km kann man manuell in den 3. schalten, ab 64 h/km in den 4. und bei 128 h/km in den 5. ;) Sehr amüsant, das herauszufinden. (Angeblich lernt die Elektronik das Fahrverhalten des Fahrers und passt sich an - wenn dem so ist, braucht sie länger als 7000 km dafür.)
    Nur in Haarnadelkurven hat mich gestört, dass aufgrund der teilweise notwendigen sehr geringen Geschwindigkeit das Getriebe in der Kurve in den 1. Gang runterschaltet, das gibt dann einen Ruck beim Gasgeben, der im 2. nicht passiert. Dort sollte auf den manuellen Modus geschaltet werden und das leichte Tuckern in Kauf genommen werden - bietet es doch ein gleichmässigeres Fahren.
    Alle Bedienteile am Lenker sind gut erreichbar und haben eine angenehme Haptik - was bei teilweise 39 Grad und barhändigem Fahren nicht uninteressant ist. Einzig die Funktionen des Schalters für die Automatik-Modi und die Umschaltung zwischen manuell/Automatik würde ich mir getauscht wünschen. Ich habe häufiger die Umschaltung zwischen D und S betätigt, als ich zwischen A und M geschaltet habe. Der Wippschalter für D/S ist aber nicht zu erreichen, ohne die Hand vom Gasgriff zu lösen. Jetzt könnte man meinen, das ist Absicht und die Auskupplung zwischen dem Umschalten notwendig - stimmt aber nicht. Denn ich habe mit links hingegriffen und im Hang fahrend, ohne das Gas wegzunehmen, auf S geswitcht - kein Problem. Es folgt unmittelbar das Herunterschalten und ohne auch nur einen kleinen Ruck zieht das Mopped völlig ruhig weiter den Hang rauf. Den Taster für die A/M-Schaltung hingegen erreicht man ohne jede Handlageveränderung - in meinen Augen ist dies aber nicht so sehr im schnellen Zugriff nötig, wie die D/S-Wechslung.
    Alles in allem ist das DCT für mich eine komplett runde und absolut ausgereifte Sache. Wenn die Technik nun kommend keine Mucken macht, kann man nicht von Kinderschuhentwicklung sprechen.


    Die "Handbremse":
    Die Reaktion meines Mannes, als er sie schieben wollte und es nicht ging, war lautes Lachen: "WAS? Eine Handbremse?"
    Ich werde sie aber in der Werkstatt prüfen lassen, denn sie bremst nicht so stark, wie ich es erwartet hatte. Man spürt einen deutlichen Widerstand, möchte man die Kiste schieben oder anfahren - aber man kann sie weitgehendst problemlos bewegen. Was auch bedeutet, dass sie an einem stärkeren Hang rollt - trotz Handbremse. Aber vielleicht muss das nachgestellt werden, ich hatte hier mehr "Halt" erwartet.


    Das Gewicht:
    Welches Gewicht? Frauen sprechen nicht über Gewicht, sondern nur über Rundungen. Und derer hat die XT nur schöne!
    Achso, beim Umparken ... ok, da brauche ich eine dritte oder vierte Hand. Mit Gepäck dürfte sie etwa 320-330 Kilo gehabt haben - auf Schotter oder Rasen ist ein Umparken ohne Motor oder rückwärts für mich allein nicht möglich. Steht sie zu arg am Hang, macht der Seitenständer keinen vertrauenserweckenden Eindruck mehr - da war ich dankbar um den Hauptständer. Aber selbst auf den bekomme ich die Kiste nicht allein - und auch mein Mann hat sich schwergetan. Der Seitenständer legt die XT auch mehr in Schräglage als z.B. die mitfahrende Multistrada - die stand sichtbar gerader. (Ob das einstellbar ist, hab ich jetzt noch nicht geprüft - ist es?)
    Aber beim Fahren - nochmal: welches Gewicht? Sobald sie rollt(!), ist das Gewicht nicht mehr spürbar. Ich hatte wirklich Muffensausen davor, aber es ist einfach nicht mehr erheblich, wenn sie in Bewegung ist. Sie ist so gut austariert und so weichlagig, so rund in den Kurven - sie lässt sich deutlich besser händeln als meine "alte" Transalp! Deutlichst! ;)


    Das Zubehör:
    Ich habe die SW-Motech-Koffer (für XT) - und bin sehr zufrieden (auch optisch - schwarze Koffer zur Black Pearl)! Jeder Seitenkoffer wiegt zwar leer 4,8 kg (ohne Halterung!), aber zum Gewicht - siehe oben.
    Die Koffer haben ein absolut ausreichendes Volumen und sind schmutzdicht - nicht aber vollständig wasserdicht. An den Nieten drückt es bei entsprechender Geschwindigkeit den Regen rein. Aber es sind Tropfmengen, keine Überflutung. Die Dichtungen saugen sich bei Bergfahrten an - wir haben z.T. 2000 Höhenmeter Unterschied gehabt, danach musste mein Mann den Deckel öffnen. ;)
    Ich habe die Griffheizung, für Frauen einfach ein Muss. Und ich war dankbar, als wir bei Regen von 29 Grad auf 16 fielen, da fühlt sich das doch noch etwas bequemer an, wenn denn wenigstens die Finger gewärmt werden. Das Manual dazu habe ich mir vorher nicht durchgelesen (lieber try&error) und doch lässt sich intutiv herausfinden, dass es drei Stärken gibt - von heiss bis unter handwarm. Ganz gut gelungen wie ich finde.
    Das hohe Windschild - ich war unsicher, ob ich es wirklich montiert lassen sollte, da es bei über 70 h/km 'wummert' (wie wenn die Autoscheibe einen Spalt offen ist und man die falsche Geschwindigkeit fährt). Aber es ist ein echter Spritzschutz und ein Kamikaze-Fänger. Mein Visier war abends staubig von unseren offroad-Fahrten - aber tote Flieger hatte ich keine. Allerdings wird das Wasser auch zwischen Karosserie und Windschild und durch die Lenkeröffnung hochgedrückt - den Regen bekommt man also immer ab. Mit einem anderen Helm könnte das Wummern auch aufhören. Habe ich meine Hand locker auf den Helm gelegt, war das Wummern weg. Man merkt auch, wenn man nicht *gerade* auf dem Mopped sitzt - dann rückelt's nämlich an der entsprechenden Seite deutlich mehr. Gerade sitzen und man ist im stream. ;) Ich habe es nicht bereut, das hohe Schild gefahren zu haben.
    Windabweiser an den Kotflügeln - finde ich sehr willkommen. Der Winddruck ist erheblich geringer. Natürlich gehört Winddruck beim Motorradfahren dazu - aber man sitzt einfach ruhiger, wenn bei 140 h/km der Wind bläst. Und auch der Spitzeffekt verringert sich deutlich. Ich würde sie wieder montieren.
    Hauptständer - bei dem Gewicht ein Muss. Mein Hinterreifen hatte 1000 km vor der Heimat eine Krampe gefressen - wir hätten den Reifen nicht reparieren können, wenn wir den HS nicht gehabt hätten. Und für die Winterzeit ist's eh das Bessere.


    Hab ich zum Mopped was vergessen? Ja - eines noch: ich würd sie wieder kaufen.


    Kurzer Tourbericht:
    Wir sind vom Schwarzwald ins Ruhrgebiet (dort noch ein geschäftlicher Termin) gefahren. Und von dort ging's über die Tschechische Republik in die Slowakei und mit einem kleinen Streifer durch Ungarns Nordostecke. Weiter nach Rumänien sind wir im Norden ein Stück an der Ukrainischen Grenze gefahren und nach Süden abgebogen um in einem runden Bogen über die Tranfaragasan (alte Karpatenüberquerung) von Norden nach Süden und anschliessend die Transalpina (neue Karpatenüberquerung) von Süden nach Norden zu fahren. Danach zwei Tage in Burkest - bei 41 Grad am einzigen moppedfreien Tag eine gute Wahl. Dann ging's weiter nach Constanta mit touchdown am Schwarzen Meer. Unseren eigentlichen Plan über Bulgarien, Serbien, Kroatien, Slowenien, Italien, Österreich zurückzufahren, haben wir verworfen, weil das auswärtige Amt vor der Grenze zum Kosovo warnt. Dieser Strecke dann aber im grossen Bogen auszuweichen, machte aus Fahrlust-Sinne keine Sinn, dann wären wir nur Flachland gefahren. Also haben wir die Transalpina ein zweites Mal mitgenommen und sind relativ straight through in den Schwarzwald zurück - immernoch durch Ungarn und Österreich, was auch seine schönen Seiten hatte. Ich versuche noch Google-Map eine Tourübersicht abzuringen ...
    Alles in allem ein Abenteuer - ohne jede Panne (die Krampe im Reifen mit einer Stunde Behebungszeit mal aussen vorgelassen), ohne jede kritische Situation, ohne Probleme (den wirklich sympathischen Freund und Helfer in Ösiland auch mal aussen vorgelassen, der meinem Charme nicht widerstehen konnte ;-), als er mich wegen des Überfahrens einer Sperrlinie abmahnen wollte - er hat es bei der freundlichen Erklärung gelassen, was bitte 'eine Sperrlinie' ist und dem Hinweis, die letzten 1000 km doch bitte artig zu fahren).
    Die östlichen EU-Länder sind hitzige aber drängelfreie und entspannte Verkehrsländer, die selbst im Dickicht eines mit geschätzten 200 Autos vollen Kreisverkehr beim Ortsfremden keinen Stress aufkommen lassen. Es gibt kein Gehupe, keinen bösen Finger, kein unverschämtes Schimpfen und viel Geduld mit Falschfahrern - kann ja schliesslich jedem mal passieren, nicht wahr? Zwar bedarf es einer gewissen Contenance, wenn ein Pferdefuhrwerk mitten auf der Hauptverkehrstrasse wendet, aber ebenso wird es geduldet, wenn man sich auf die rechte Spur mit Warnblinker stellt, zwei Moppeds nebeneinander und die Karte studiert - im Gegenteil, man kann sicher sein, dass ein Auto hält und der Fahrer versucht den Weg zu erklären (ob man da nun hin will oder nicht! ;-))). Und auch das angebliche Diebstahlthema hat uns nirgendwo berührt - weder real noch gefühlt.


    Ich war noch nie wirklich "Fan" von etwas ... von der Crosstourer, meiner Black Pearl bin ich es jetzt.


    Urlaubsendliche Grüsse
    Vanessa

  • #3

    :text-bravo: :text-goodpost:
    Hallo Vanessa,
    schön das ihr wieder gut zu Hause angekommen seid.
    Es hat viel Spaß gemacht deinen Fahrbericht zu lesen und jeder der noch auf seinen CT wartet, weiß nun auf was er sich freuen kann. :clap:
    Hätte auch gern noch etwas mehr von eurer Tour durch Osteuropa erfahren. Aber vielleicht hört man ja da nochmal was von dir. :handgestures-thumbupleft:

    MfG
    HARTMUT

  • #4

    Moin Vanessa!


    Toller Bericht ... zum CrossTourer und auch die Zeilen von eurer Tour machen Lust auf mehr ;) Ich habe euch ja bereits auf Twitter begleitet und meine Planungen für die Urlaubstour 2013 laufen jetzt noch mehr in Richtung Rumänien :think: Es stehen zwar auch noch die baltischen Länder sowie die britische Insel auf der Wunschliste, aber Rumänien hat es momentan auf den Spitzenplatz geschafft!!!


    Zumal ein guter Freund von mir auch gerade mit dem Motorrad dort unterwegs war und total begeistert ist :whistle: Sobald er seine Bilder sortiert und aufbereitet hat soll ich hinkommen und er wird mich dann vermutlich noch "leckerer" machen :D

    Grüße aus Schleswig-Holstein
    ...................................Dirk


    ... nach 2 Crosstourern mit DCT ab Juli 2017
    auf Ducati Multistrada 1200 Enduro unterwegs :)

  • #6

    Sehr schöner Bericht, danke das du dir die Mühe gemacht hast. Ich glaube, auf so einen Bericht haben viele gewartet, vor allen Dingen die, die noch auf ihre Crossi warten müssen.

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