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Da spielen zwei grundsätzliche Faktoren ein Rolle.
Der Schwerpunkt beim Boxermotor liegt naturbedingt ETWAS tiefer. Er liegt aber nicht soooo tief wie es das Motorprinzip zulassen würde, das sonst die Zylinder in Schräglage früh aufsetzen würden.
Und es ist die "Drehrichtung" der Kurbelwelle. Im Boxer liegt die Kurbelwelle LÄNGS im Motorrad, im Crossi und bei den meisten Reihenmotoren liegt sie QUER.
Bei der querliegenden Kurbelwelle kommen Kreiselkräfte hinzu, die dazu führen, dass auf Grund dieser Kreisellräfte sich das Motorrad "geradeaus" stabilisieren möchte und sich nicht ganz so flott "umlegen" lässt. Bei der längsliegenden Kurbelwelle im Boxer (aber auch z. B. in der PanEuropean) fehlen die stabilisierenden "Geradeaus-Kreiselkräfte". Dafür hat man bei kurzen Gasstößen immer das Kippmoment. Steht man z. B. an der Ampel und zuckt mit der Gashand, kippt der Boxer immer nach rechts. Ähnlich hat's auch die Pan gemacht. Und das hat man auch während der Fahrt!
Das ist aber alles nur grundsätzlich. Denn der Konstrukteur kann durch verschiedene Maßnahmen den Schwerpunkt trozdem verhältnismäßig tief halten, in dem z. B. der Tank entsprechend geformt und tief eingebaut wird, die Lima und Batterie tief liegen usw. usw.
Die Kräfte durch die rotierende Kurbelwelle können z. B. durch gegenläufige Lima oder Ausgleichswellen halbwegs kompensiert werden.
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Das Auftstellmoment des Kardans wird bei den (neueren) Boxern ganz gut eliminiert. Man darf aber nicht verallgemeinern, weil dabei auch die Länge des Kardans eine Rolle spielt. Daher kann es auch ohne Momentabstützung ganz gut finktionieren, wie z. B. bei der alten Pan, der 1200er Tenere und wie ich finde auch beim Crossi.
Je nach Gesamtkonzept des Kardans kann sich der Hintern mehr oder weniger ausgeprägt beim Gasgeben etwas anheben. Für Kardananfänger ist der sogenannte Schaukestuhleffekt etwas irritierend, nach ein paar Kilometern achtet man nicht mehr drauf.
Ganz im Gegenteil, er kann sogar nützlich sein! Die alten Boxerfahrer entwickelten daraus eine wahre Kunst im Kurvenfahren, in dem sie relativ langsam in die Kurve einfuhren und dann recht "deutlich" Gas gaben. Dadurch kam der Boxer mit dem Arsch hoch und gleichzeitig stieg die Schräglagengrenze.
Hat man diesen Stil verinnerlicht, ist man unglaublich flüssig und auch schnell unterwegs. Ich habe diesen Stil 1:1 von der 1150 GS (die trotz Momentabstützung immer noch leicht den Hintern hob) auf den Crossi übertragen und merke den Kardan überhaupt nicht mehr. Eigentlich schon seit über 20 Jahren nicht mehr...
Die Beurteilung der Fahrdynamik eines Motorrades sollte nicht nur auf den (tiefen) Schwerpunkt gelegt werden. Denn es zählen auch das Gesamtgewicht und natürlich die gesamte Rahmengeometrie eine ganz wesentliche Rolle.